Ein Touristen-VISA für einen Kubaaufenthalt zu bekommen ist nicht schwer, der Tourismus ist eine feste Devisenquelle für die kleine Karibische Insel mit seiner so wilden Vergangenheit. Spanische Kolonie, Revolution und Kubakrise lautet die Kurzzusammenfassung. Und nun ist Kuba eines der wenigen Länder, welches sich noch der Coca-Cola-Marktwirtschaft verweigert. Es sei der Vollständigkeit halber angemerkt, dass es dennoch ein leichtes ist, auf Kuba käuflich eine Cola zu erwerben.

Die Republik Kuba wartet mit tropisch-feuchtheißem Meeresklima auf und die Hauptinsel ist 1200 Kilometer lang und zwischen 30 und 190 Kilometer breit. Insgesamt leben dort 11,2 Millionen Kubaner. Zusammen erwirtschaften sie ein BIP von 85 Milliarden USD (2015), wobei das Durchschnittseinkommen bei 29 USD liegt. Auf Kuba waren einige Werbetafeln zu sehen, welche für Demokratie und die anstehenden Wahlen warben. Das auswärtige Amt bemerkt hierzu jedoch lakonisch in den Länderinformationen:

Regierungspartei:

ausschließlich zugelassen: Kommunistische Partei Kubas

Opposition:

neben der Kommunistischen Partei sind keine anderen Parteien zugelassen

Dabei dürfte es sich wohl um ein diplomatische Formulierung handeln. Auch der folgende Auszug macht deutlich, wie es um die demokratische Verfassung Kubas bestellt ist:

Besucher sollten politische Betätigung unterlassen, dies kann mit hohen Haftstrafen geahndet werden.

Dann gibt es da noch die Sache mit den zwei Währungen CUC und CUP. Ein CUC (Peso convertible) ist einen US-Dollar wert, 24 CUP (Peso cubano) entsprechen 1 CUC und können nicht in Fremdwährung getauscht werden. Der CUP wird hauptsächlich zur Bezahlung staatlich subventionierter Waren benutzt und ist für die meisten Touristen folglich irrelevant. Nichtsdestoweniger ist es bemerkenswert, dass sich Kuba zwei Währungen leistet. Zwar wurde 2013 angekündigt die Währungen zusammenführen zu wollen, doch auch ich habe Leute mit CUP zahlen sehen.

Um die zur Einreise erforderliche Touristenkarte zu erhalten, begibt man sich zum kubanischen Konsulat in Berlin und erhält diese nach kurzer Wartezeit. Es wiehert der Amtsschimmel. Die Räumlichkeiten selbst geben ein Vor­ge­fühl auf das Reiseland. In dem zweifelsohne noch der DDR entsprungenen Bau nimmt eine ältere Dame hinter einem hohen Tresen Gesuche entgegen und bittet auf einem der muffigen Sessel Platz zu nehmen. Das WiFi funktioniert nicht. Insgesamt eine gute Einstimmung auf Kuba.

Havanna

Zeitsprung, Ortswechsel, ich bin grade am La Habana Aeroporto gelandet. Von dort nehme ich ein Taxi zum Hostel. Auf der Fahrt wird bereits ersichtlich, dass Havanna eine morbide Schönheit ist. Die vielen bunten Häuser und Autos sind hübsch anzusehen. Sie scheinen ein wenig aus der Zeit gefallen und eisern dem Verfall zu trotzen. Überall sind die für Kuba bekannten Oldtimer zu sehen. Einige Modelle sehen noch aus wie neu, andere hingegen lassen ernsthaft um Sicherheit der Insassen fürchten. Was man auf den tollen Werbeprospekt-Bildchen nicht sieht, ist der zugehörige Geruch, wenn eine ganze Insel verkehrstechnisch die Siebziger-Jahre wiederaufleben lässt. Nach einer Weile gewöhnt man sich zwar an den Benzingestank, dennoch schmälert dies den Charme der bulligen Cruiser auf den Straßen.

An der Adresse angekommen wundere ich mich erst einmal, wo denn das Hostel ist. An der Stelle an welcher das Hostel sein sollte sehe ich lediglich eine baufällige Ruine. Hat sich der Taxifahrer verfahren? Am winzigen Schild am Eingang erkenne ich schließlich, dass besagte Ruine renovierungsbedürftige Baute meine Unterkunft für die nächsten Tage ist. In Havanna sind sehr viele Gebäude marode, dennoch wohnen Leute in den Häusern. Selbst Gebäude, die in den letzen Atemzügen liegen, werden noch bewohnt. Insofern passt das Hostel gut ins Bild, zum Glück sieht es innen deutlich besser aus. Die quirlige Hostelbesitzerin Aylin erklärt allen Gästen Kuba und was man umbedingt gesehen haben muss. Außerdem beklagt sie, dass sie für den ganzen Monat lediglich 30 Stunden Internetzugang erhält. Dennoch kostet es 50 CUC, was etwa 50 Euro entspricht. Der einschlägige Telekom-Manager dürfte hier eine Freudenträne nicht unterdrücken können.

Das Cuba 58 Hostel

Effektive Lösung gegen die marode Fassade: Von innen nach außen schauen.

Pluspunkt: Das Dach war sehr aufgeräumt.

Eine Gasse trotzt der Zeit.

Eine weitere Gasse trotzt ebenfalls der Zeit.

Sozialismus trifft auf spanische Kolonialzeit.

Geht man vor die Tür, fällt dem deutschen Auge sofort eine ungewohnte Gelassenheit der Menschen auf. Die Menschen gehen gelassen durch die Stadt und hetzen nicht. Das Leben findet auf der Straße statt.

Nicht vergessen darf man den obligatorischen Besuch des Revolutionsmuseums in welchem die Befreiung Kubas durch Fidel Castro und Che Guevara als Musical Ausstellung dargeboten wird. Das Museum selbst ist – wie so vieles hier – in einem Dämmerzustand gefangen. Zersprungene Fenster, Farbkleckse auf dem Boden, Baugerüste und sogar arbeitende Maler verteilen sich im Museum. Dennoch strahlt das Gebäude eine Grandezza aus, welche von der bedeutsamen Historie zeugt. Die spanischen Kolonialherren, der Diktator Batista und schließlich Fidel Castro selbst nutzten das Gebäude als Regierungssitz. Teile des Gebäudes lassen noch immer erahnen, wie prunkvoll es sich hier einst gelebt haben lassen musste. Der Museumsabschnitt, welcher die Zeit nach der Revolution behandelt, berichtet nüchtern von der Verstaatlichung der amerikanischen Unternehmen und der politisch Linke Teil in mir freut sich heimlich etwas. Darüber hinaus findet die CIA viel unrühmliche Erwähnung, Dengue-Fieber-Epidemien, Schweinepest, Nutztierseuchen und Angriffe auf Plantagen soll sie laut Ausstellung zu verantworten haben. Auch wenn die CIA eindeutig Sabotagepläne verfolgt hat, bleibt fraglich ob es soweit ging gezielt Krankheiten zu verbreiten. Dafür und für die Schweinebuchtinvasion gibt es dann am Ausgang auch die bei Besuchern populäre US-Präsidenten-Karikaturen (+ Batista).

Im Außenbereich finden sich Artefakte aus der Geschichte Kubas. Neben dem Boot auf dem Castro vor der erfolgreichen Revolution mit nur 50 Männern übersetzte findet sich auch allerlei vermischtes. So hat es das Triebwerk eines abgeschossenen U2-Spionageflugzeugs der Amerikaner in den Geschichtspark geschafft. Soldaten in strenger Uniform wachen über die Besucher und greifen bei Betreten des Rasens beherzt zur revolutionären Trillerpfeife. Alles in allem hat der Mythos Revolution an Glanz eingebüßt, die “Che Guevara”-Wachsfigur kann nicht den maroden Zustand Kubas vergessen machen. Ob dies als Narrativ stark genug ist, um die Menschen vom Aufbegehren und den Versuchungen des Kapitalismus abzuhalten wird die Zukunft zeigen.

Einschusslöcher, welche aus der Erstürmung des Gebäudes durch die Revolutionsgarden stammen sollen.

"Unter den Talaren, der Muff von Tausend Jahren" mag auch hier passend erscheinen, obschon Fidel Castro selbst hier zum El Presidente ernannt wurde.

Repräsentativer Ausschnitt aus der Ausstellung.

Madamé Tussauds auf Kubanisch (Madamé Esperanza?)

Ob Obama und Trump bereits in Arbeit sind?

Doch was sagen eigentlich die Kubaner zu all dem? Ein junger Kubaner, welcher an der Universität in Havanna studiert möchte umbedingt Kuba verlassen und erzählt, dass er lediglich nach einem Arbeitgeber sucht, welcher ihm den Umzug finanziert. Mit dem vorherrschenden System scheint er wenig anfangen zu können. Er erklärt, dass es hier normal sei, dass ein Taxifahrer mehr verdient als ein Arzt. Dies deckt sich mit Aussagen aus Reiseführern in welchen beschrieben steht, dass hinter vielen kubanischen Ärzten und Professoren, Burgerbrater und Putzkräfte im Ausland stehen, welche mit ihren Geldüberweisungen die geistige Landeselite querfinanzieren. Die Limitierung auf 200 Megabyte Internet pro Woche für Studierende ist sicherlich ebenfalls ein Problem. In ganz Havanna gibt es aktuell nur 60 WIFI-Hotspots des staatlichen Internetproviders. Dort versammeln sich die Menschen für die tägliche Dosis Netz. Auch die langen Schlangen vor den Internetkartenläden zeugen von einem digitalen Versorgungsmangel.

Zufälligerweise treffe ich einen der Maintainer des kubanischen Internetersatzes SNET. Neben El paquete – bestehend aus Festplatten welche wöchentlich aktualisiert und geteilt werden, stellt SNET einen weiteren Weg dar, um Daten zu teilen. Dies erfolgt ohne Internetzugang in einem lokalen Mesh-Netzwerk. Dieser erzählt auch von allerhand Problemen mit technischer Infrastruktur und den findigen Workarounds. Auch erfahre ich, dass die Kubaner ihre Kommunikationsdaten zur weitergehenden Analyse vermutlich an die Russen weitergeben. Die Frage warum Kubas Internetversorgung zu den schlechtesten der Welt gehört bleibt jedoch unklar. Angst vor Oppositions oder schlicht Ignoranz und Ressourcenmangel könnten Gründe sein.

Varadero

Die Touristenhochburg Varadero liegt drei Stunden Autofahrt östlich von Havanna. Hier finden sich karibischer Katalogsandstrand und eine Reihe von All-Inclusive-Bunkern, die sich wie an einer Perlenkette aufgeschnürt um die Strände Varaderos legen. Der lokalen Bevölkerung von 20.000 Menschen stehen jährlich 1.000.000 Besucher gegenüber. Für das gute Karma übernachte ich in einer Casa Particular. Für 35 CUC pro Nacht bietet die Wohnung neben einer Dusche, welche eine Art elektrischer Stuhl darstellt auch sonst wenig erfreuliches.

Ein geradezu unverschämt gutaussehender Strand.

Spätrömische Dekadenz.

Liebevolles Detail: Duschen mit Adrenalinkick und potenziell tödlichem Ausgang (Man beachte die an die Decke geklebte Erdung).

Die Casa Particular von außen.

Wie sehr man an den Überfluss gewohnt ist, merkt man in den Supermärkten mit ihrem übersichtlichem Sortiment.

Die Preise sind verglichen mit Deutschland genauso hoch bzw. teurer.

Neben all dem Disneyland-Charme eines Tourismusortes versöhnt die wunderschöne Natur – dort wo sie erhalten wurde – schnell. Am Ende der Halbinsel auf welcher Varadero liegt, besteht ein Naturschutgebiet mit Wäldern und Höhlen, welche man erkunden kann. In den Höhlen nisten Fledermäuse, zudem gibt es teilweise tausende Jahre alte Malereien von den Ureinwohnern sowie den afrikanischen Sklaven. So ganz ohne Internet in einer Höhle auf Kuba kommt selbst der pathologischste Internettroll zur Ruhe. Die Natur wirkt wie ein angenehmes Sedativum gegen die moderne Smartphone-, Newsfeed- und Pushnotification-Welt.

Eine der vielen natürlichen Höhlen.

Wenn ein Stadtkind plötzlich auf Wald trifft.

Alles in allem ist Kuba einen Besuch wert. Wenn man nicht nur im touristischen Paralleluniversum am Sandstrand bleibt, gibt es auf Kuba viel zu entdecken. Dies kann auch die ein oder andere Lebensmittelvergiftung nicht schmälern. Leider habe ich die Größe Kubas völlig unterschätzt. Man sollte genug Zeit einplanen, um die ganze Insel zu entdecken. Hinzu kommt, dass das Leben recht teuer ist, da der Staat die Wirtschaft kontrolliert und Tourismus eine wichtige Einahmequelle ist. Einfach in einen Supermarkt zu gehen und selbst etwas zu kochen ist nicht so einfach. Dies hat sich bemerkbar gemacht, als ich danach in Mexico (freie Marktwirtschaft + keine Insel) war und festellen musste, dass ich dort viel länger Leben könnte, ohne dass eine Pleite droht. Auf Kuba lagen die Lebenshaltungskosten bei circa 42 Euro pro Tag. Auch fiel auf, dass auf Kuba zwar ein niedrigerer Lebensstandard als in Mexico-City herrscht, aber auf Kuba niemand auf der Straße um Geld gebettelt hat. Die Frage wäre ob dies nun Sozialismus oder strikterem Vorgehen gegen Bettler zuzuschreiben ist. Kuba wird nach dem Abdanken Raul Castros in diesem Jahr sich womöglich öffnen und ein anderes Kuba werden, als jenes, das ich erleben durfte.

TL;DR;

Kuba ist sehr schön und es gibt für Besucher einen faktischen Internetzölibat.