[Fotos kommen später noch, es müssen erst einmal die Gifs genügen]

Die eindrücklichste Wahrnehmung meines ersten Tages, war nicht die drückende Hitze, die vielen Menschen,  - nein - es war der Geruch. Es ist schwer festzumachen, jedenfalls kommt es wahrscheinlich durch die andere Küche zustande. Generell bemerkt man verschiedenste Gerüche, wenn man auf den Straßen unterwegs ist. Mir fielen sie eher unangnehm auf, aber auch hier zeigt sich, wie adaptiv das menschlichen Gehirn ist: Rund 4 Tage später bemerke ich davon fast nichts mehr. Die ersten zwei Tage verlaufen im Zeitraffer und bestehen in der Hauptsache aus holprigen Orientierungsversuchen. Beginnen wir daher doch bei Tag 3.

Zusammen mit einer Freundin, die ich aus Berlin kenne, sollte es heute auf den ikonischen Berggipfel gehen. Quasi das Zuckerhutäquivalent Hong Kongs. Die Kabelbahnfahrt auf den Gipfel und zurück mutete wie eine Slowmotion-Achterbahnfahrt an. Furchtsame Gemüter wie ich können bei den gefühlt vertikalen Streckenabschnitten auf ihre Kosten kommen, insbesondere bei der Talfahrt wünscht man sich ein weniger qualvolles Tempo. Oben angekommen, krankt es wie ich es aus China schon kenne an einer schamlosen Kommerzialisierung. Auf dem Gipfel mit der Aussichtsplatform kommt man direkt in einem Shoppingcenter an und muss sich über 6 Etagen über Rolltreppen an allerlei Belanglosigkeiten, wie dem obligatorischen Madame Tussauds, vorbeikämpfen, um auf die Platform zu gelangen. Dort bot sich neben einem atemberaubenden Ausblick auch eine fürs europäische Auge (noch) ungewohnte Szenerie: Nicht ohne dabei einen gewissen Stolz zum Ausdruck zu bringen, recken sich die errigierten Selfiesticks im Dutzend in die Höhe. Hier vergewissert sich der Mensch seiner selbst, das Selfie als höchste Form des Seins. Dies sind wohl die Früchte einer - jedenfalls gefühlten - Verkürzung des Lebens auf die Ökonomie und der resultierenden Gesellschaftstendenz zur stärkeren Selbstdarstellung, dachte ich mir bei diesem Anblick. Dann haben wir - natürlich - noch ein Selfie geschossen.


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Am Abend erhielt ich die Gelegenheit einen Blick in einen Premiumsupermarkt zu werfen, der nur Importprodukte vorhielt. Hier dürfte hauptsächlich die Landeselite und verwirrte Touristen, die sich nicht besser zu helfen wissen, ihren Wochendeinkauf erledigen. Es nimmt sich durchaus bizarr aus, wenn ein magerer Mozzarella - exakt der selbe, den es bei ALDI für moderate 70 Cent gibt - nun plötzlich über einem Preisschild liegt, welches einen maliziös anlächelt und forsch fünf Euro einfordert. Solche Preissteigerungen bei Grenzübertritt kennt man sonst vielleicht noch von Kokain. Scarface mit einem Schreibtisch voll Mozarella? Hier ist dieser Gedanke schlichtweg konsequent. Nudeln mit Barilla-Tomatensoße? Macht 10 Euro bitte. Daher begnügte ich mich mit einem bezaubernd fremdartig anmutenden Mikrowellengericht aus dem Land der Sonne. Nur 6 Euro, ein echtes Schnäppchen also. Dafür hat es dann aber auch geschmeckt, wie frisch zubereitet. Ich lerne: Mikrowelle, das kann der Japaner! Teurer ist manchmal auch wirklich besser. Außerdem: Es gibt Melonen die 70 Euro kosten, ja sie existieren wirklich. Man kann sie anfassen. Ich habe sie angefasst und es fühlt sich so an, als ob man materialisierte Glück unter seiner Handfläche hielte. Ähnlich begeistert der täglich per Luftfracht eingeflogene Mandarinenkorb für 30 Euro. Ein wahrhaftiges Highlight meiner Reise. Es lässt sich aber auch insgesamt festhalten, dass die Stadt recht teuer ist. Mit Deutschland vergleichbar, meistens sogar noch teurer.

Tatsächlich habe ich mich bisher weniger mit Historie und Politik auseinandergesetzt, sondern vermehrt mit hiesigem Nachtleben. Diesbezüglich muss insbesondere der Stadtteil Lang Kwai Fong Erwähnung finden: Hier spielt sich das Nachtleben ab. Die Stimmung ist auf den Straßen ausgelassen wie auf einem Festival. So etwas habe ich bisher noch nirgends so erlebt. Die Menschen sind alle ekstatisch und kontaktfreudig. Die klassische Einstiegsfrage lautet “From where are you?”, daraufhin folgt ein spaßiges Akzentraten. Milchbubis, die aussehen, als wären sie erst 13, sitzen hinter dem Steuer eines Lamborghinis oder anderer Fahrzeuge aus der Kategorie “Hilfe meine Eltern sind obzön reich und haben mir zweifelhafte Wertvorstellungen vermittelt”. Sie möchten einem fast Leid tun, es sind Menschen für die Geld an sich einen Selbstwert darstellt. Ich bekomme von einer Einheimischen erzählt, dass sie Bekannte hat, welche den Tick haben, beim Ausgehen jedes Mal ritualhaft ihre 100.000 Euro teuren Uhren in den geordneten Champagner tunken. Eine Anekdote, die durchaus die Frage aufwirft: Gehören diese 100.000€ wirklich an das Handgelenk eines solchen Neureichenabkömmlings oder in ein Sozialsystem, dass die ausgemergelten Senioren in den Straßengassen versorgt. Das dürfte am Ende beiden Seiten nutzen. Die einen haben Essen, die anderen mehr Realitätsnähe. Aber die Ex-Kolonie, in der Rolexläden wie hierzulande McDonalds-Geschäfte das Stadtbild prägen hat sich augenscheinlich anders entschieden. Kapitalismus fuck yeah. Bekommt man solche Exzesse in Deutschland einfach nicht so sehr mit? Oder ist die hiesige Vermögenselite schlichtweg diskreter, aber keineswegs weniger verdorben? Interessant zu wissen wäre es allemal. Sicherlich gibt es eine weiter entwickelte Kultur des Umgangs mit obszönem Wohlstand, in Asien ist dies noch ein relativ junges Phänomen der Neuzeit.


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Die Menschen im Ausgehviertel sind etwa hälftig Ausländer und ja, man trifft auch öfters auf das Exemplar des klassischen Bilderbuchsexpats. Je später der Abend wird, desto mehr Massen torkeln gen Taxischlange. An der einen Ecke lässt sich ein Amerikaner von seiner wenig begeisterten Freundin erklären, dass er sich mal vorstellen solle, sie würde vor seinen Augen mit jemand anderem flirten. An der nächsten Ecke schmeißt ein Trunkenbold frohen Mutes Gläser auf die Straße. Etwa ein halbes Dutzend Polizisten findet dies offenbar so interessant, dass sie ihm mit einem beherzten Gewalteinsatz auf seine unausgesprochene Frage “Ab welchem Grad wird Idiotie illegal” antworten. Einige Straßen weiter wird eine Alkoholeiche auf eine Trage umgelagert. Kurzum: Es ist echt was los. Ich hätte fast ein wenig Sorge im Sog des Nachtlebens zu verschwinden, wenn ich hier leben würde. Tatsächlich hat es ein wenig meine hochtrabenden Pläne mich mehr um kulturellen und historischen Kontext zu bemühen konterkariert. Wie dem auch sei, Ende Oktober werde ich noch einmal Gelegenheit dazu haben. Nächster Halt: Seoul. Ich hoffe, dass ich nach den 12 Tagen dort nicht als K-Pop-Trash ende.


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