Da es sich zufälligerweise so ergab, dass an der Oxford University der “open day” für “undergraduate admissions” stattfand, stand es außer Frage, dass wir (Cihan & moi) nicht dort hin fahren (Disclaimer: Nicht aufgrund intellektueller Eigenschaften, sondern vielmehr der Neugier wegen). Am morgen ging es gegen 10 nach Oxford. Eigentlich wusste ich nicht besonders viel; weder über die Stadt, noch über die Universität. Nun, eine Eliteuni soll es sein und viele Szenen aus Harry Potter wurden in Oxford gedreht.

Angekommen erblickt man sogleich auch die allenthalben aufgestellten “University of Oxford”-Fahnen, die zum “open day” auf die Unizugehörigkeit der Gebäude hinweist. Oxford ist ein etwa mittelgroßes Städtchen und die Uni-Institutionen durziehen sie wie Fettstreifen ein gutes Qualitätssteak. Als erstes möchte ich unbedingt das Balliol-College sehen, welches auch das College von Richard Dawnkins war. Eine Nachfrage im Information Center führt zu einer hilfreichen Wegbeschreibung und so machen wir uns auf den Weg.

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Das Balliol-College ist eines der Colleges in Oxford, von denen es Legion gibt. Wenn man in Oxford studiert, dann bewirbt man sich nicht bei der Universität, sondern bei einem der Colleges. Die Colleges stellen auch Unterkunft, Finanzierung und die Tutoren für die Studenten zur Verfügung. Die Vorlesungen und Prüfungen hingegen werden von den jeweiligen Fakultäten der Universität organisiert, welche einem nachher auch den begehrten Abschluss verleihen. Während des ganzen Tages betonen alle mit denen wir sprechen, dass es zwar eine nicht ganz Ernst gemeinte Rivalität zwischen den Colleges gebe, aber im Endeffekt wäre es egal für welches College man sich entscheide, da alle exzellent sind. 

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Im Balliol-College angekommen, lässt sich erst einmal sagen: Es sieht wirklich aus, wie in den Harry Potter Filmen. Die Gänge, die Höfe, die Türmchen auf den Dächern, die verwinkelten Gänge und Wendeltreppen. Da ein grade “admissions talk” im Gange ist, lassen wir uns von einem Studenten in das entsprechende Zimmer geleiten. Auf dem Weg erzählt uns dieser, dass er die Uni toll findet und wie wir es noch so oft an diesem Tag hören sollen, dass eigentlich alle Colleges gut seien, aber wir uns am besten doch für seines entscheiden sollten. Schließlich nach einer kurzen Weile (ein Gang über den malerischen Innenhof ist nun wirklich nicht der schlechteste Zeitvertreib) kommen wir in einem kleinen Zimmer an und zu meinem Erstaunen sitzen dort nur gut 6 andere im Kreis an dessen Kopf ein Mittvierziger gebildet wirkender Tutor des Colleges sitzt. Wie wir später noch erfahren sollten, handelte es sich um Professor Tom Melham. Neben allgemeinen Informationen über das Bewerbungsverfahren, betonte Melham immer wieder: “We need to know, that you have enough brain power” oder auch “In the interview we will test if your brain muscle is strong enough”. Besteht man nämlich die schriftliche Bewerbungsauswahl, wird man vom jeweiligen Tutor des Colleges interviewt. Da dieser mit der Aussicht die Hand voll ausgewählte Studenten über die nächsten drei Jahre betreuen zu müssen, will dieser natürlich nur die bestgeeignetesten Studenten. So ließ Melham uns immer wieder wissen: “You need to love computer science. Or else it won’t make sense. You have to do what you really love.” Am Ende komme es auf drei Dinge an: Mann muss ein guter Student sein. Man muss die Motivation haben. Mann muss die notwendige Intelligenz vorweisen. Ferner gibt es keine Nationalquoten, es werden schlicht die geeignetsten Bewerber ausgewählt.

Nach dieser schon leicht einschüchternden Vorstellung ging es dann zur Fakultät für Informatik. Diese lag einige hundert Meter vom College entfernt, was bei der Schönheit Oxfords aber nicht unangenehm ist, eher im Gegenteil.

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In echt noch schöner: Balliol College

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Das muss dann wohl dieser Englische Rasen sein, von dem immer alle Welt spricht…

Die Fakultät ist selbstredend auch in einem stilvollen Gebäude untergebrachten und liegt neben der überraschend hässlichen Physikfakultät. Die Fakultät ist verwinkelt und kompakt. Es gibt nur zwei Vorlesungssäle. Der größer von ihnen fasst maximal etwa 50 Personen. Daran lässt sich schon erahnen mit welchem Betreuer zu Studenten Schlüssel hier gearbeitet wird. Hier kennt der Professor alle Studenten beim Namen. Das gibt es an deutschen Unis eher weniger. In der Fakultät haben Studenten aus dem 3. Jahr ihre Semesterprojekte zur Schau gestellt. Es sind beachtliche Projekte zu sehen, grade wenn man bedenkt, dass diese in nur 8 Wochen entstanden sind. Die Studenten sind, diese Bewertung maße ich mir einfach einmal an, durch und durch Vollnerds. In den Gesprächen erfahren wir, dass das Studium in Oxford vor allem auf die theoretischen Grundlagen setzt. So lernt man als erste Programmiersprache auch nicht Java o.Ä., sondern Hascall. Grund hierfür ist die Nützlichkeit der Sprache bei der Veranschaulichung von grundlegenden Prinzipien von Programmierung. Praktisches Programmieren steht eher weniger auf dem Lehrplan. Wer die Theorie wirklich durchdrungen und verstanden hat, kann jedes Problem mit ein wenig einlesen lösen lautet das Prinzip dahinter. Alles in allem ist die Fakultät erstaunlich schlicht gehalten. Bei einem solch großen Namen, wie Oxford erwartet man unwillkürlich etwas mehr Extravaganz, aber nichts dergleichen ist zu finden. Beim Verlassen der Fakultät fällt noch das Poster von Google auf, welches Studenten für Praktika wirbt.

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Echt hässlich: Physikfakultät.

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Die Informatikfakultät.

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Für die Zweifler hier noch das Schild. Es muss stimmen. Es steht immerhin auf einem Schild!

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Der größere der 2 Vorlesungssäle

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Der schlichte Aufenthaltsraum

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Das schwarze Brett an meiner Uni sieht irgendwie weniger hochkarätig aus ;(

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Auch in Oxford langweilig: Flur.

Insgesamt sind die Berufschancen der Absolventen glänzend. Einer der Tutoren erzählt uns, dass die Uni über ein spezielles Büro bei der Berufsvermittlung hilft und es mehr Stellenangebote als Studenten gibt. Die Nachfrage nach Absolventen sei sogar so groß, dass die Uni einfach Stellengesuche unterhalb eines bestimmten Gehalts schlankweg ablehnt. Alle großen Internetkonzerne nehmen die Studenten mit offenen Armen auf, sei es Google, Amazon oder auch Yahoo.

Der nächste Punkt auf unserem Tagesprogramm war der “undergraduate talk” der Archäologiefakultät. Die Größe des einzigen Hörsaals dürfte so einigen die Sprache verschlagen: Der Hörsaal ist nicht größer als mein Zimmer. Es ist eigentlich ein Wohnzimmer mit einem Kamin an der Front, vielen Büchern in Regalen, einer Weltkarte und einer Tafel an der Front. Mit maximal 20 Studenten in einer Vorlesung gleicht das geradezu Einzelunterricht. Auch hier plaudert der Professor aus dem Nähkästchen. Ein alerter und charismatischer Mittfünfziger, der mit Anekdoten und Späßen die Zuhörer zu bannen weiß. Der Professor betont, dass in der archäologischen Fakultät das Betreuer-Studenten-Verhältnis das geringste in ganz Oxford ist. Generell erklärt, der Professor, dass man im Gegensatz zu anderen Unis keine Sprechzeiten braucht, da man bei Fragen einfach Abends an der Wohnungstür des Professors oder Tutors anklopfen kann und dieser dann die Fragen oder Probleme durchgehen wird. Es wird kein Zweifel daran gelassen, dass Oxford die beste Bildungseinrichtung weit und breit ist. Man kann hier jeglichen akademischen Interessen folgen. Ob Sprachkurse oder noch zusätzliche Physik- und Ökonomievorlesungen, man werde in jedem Fall von der Universität voll unterstützt. Auch hier sind die Hürden selbstverständlich hoch: “In your reference your teacher has to tell me why you are the best student he has ever met.” heißt es lapidar als Antwort auf die Frage, wie denn das Referenzschreiben auszusehen hat. Zudem komme es auf die akademische Qualifikation an und nicht auf Dinge wie etwa soziales Engagement.

Am Ende gab es noch eine Führung die ein weiterer Tutor leitete. Dieser war auch studierter Archäologe und erforscht zur Zeit, wie man aus fossilen Überresten von Lebewesen die Umweltbedingungen in der Vergangenheit rekonstruieren kann. Sei es mit DNA-Analyse oder sonstigen Verfahren. Definitiv ein Feld, an welches man beim Wort Archäologie nicht als erstes denkt. Die Führung verlief daher auch in die Physikfakultät, wo wir den weltweit präzisesten Apparat zur C-14 Altersbestimmung bestaunen durften (Momentan +- 50 Jahre). Hier wurden schon diverse Gegenstände datiert, die hohe Wellen in den Medien schlugen. Das DNA-Labor war weniger beeindruckend, aber nichtsdestoweniger interessant. Insgesamt hat die Tour verdeutlicht, welche Rolle Interdisziplinarität in Oxford spielt. Es war auch ein Augenöffner dafür, wie breit das Spektrum von Archäologie als wissenschaftliche Disziplin sein kann.

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Krass: Ancient DNA laboratory

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Krasser: Oxford-Physiker (links)

Zu guter letzt ging es ein weiteres Mal in die Informatikfakultät. Dort wurde ein Interview simuliert, wie es Bewerber zu durchlaufen haben. Der Professor gibt hierbei eine Problemstellung vor und gibt dem Bewerber Hinweise zur Lösung. Das Beispiel war, dass einer der Hochpunkte einer beliebigen Funktion bestimmt werden sollte, wobei man dies ermitteln musste, indem man maximal 10 Punkte abfragt. Nach und nach sollte man eine geeignete möglichst effiziente Methode finden, was der Student aus dem 2. Jahr auch schaffte (der sich vorher Freiwillig als Testkaninchen zur Verfügung gestellt hatte). Weiter erfahren wir, dass im letzten Jahr fünf Bewerber hintereinander behauptet haben, dass die Summe der natürlichen Zahlenfolge die Fakultät sei, erzählt der Professor sichtlich amüsiert.

Am Abend fahren wir wieder und zurück bleibt der schale Beigeschmack des Verdachts, dass es an der eigenen Uni einiges gibt, was besser organisiert sein könnte. Verständlich ist, dass Oxford kein unbegrenzt skalierbares Modell ist, allein schon der Kosten wegen. Oxford ist eine Insel der Seligen für Studierende und Forschende, da könnte sich so manche deutsche Uni das eine oder andere abschauen, etwa, dass die Professoren und Tutoren die Bewerber persönlich filtern und so nicht schon gleich die Hälfte im ersten Semester abbricht.