Am Montag wache ich gegen 7 auf und schaffe es noch eben zu duschen, meine Tasche zu packen und da ist es auch schon 7:37. Ich bringe es noch zustande einen Jogurt - samt Löffel - einzupacken und sprinte aus der Tür. Ich schaue in meinen Geldbeutel, aus dem mir 10 klägliche Rubel zu sagen scheinen: Du hast ein Problem. Die Fahrt mit Bahn oder Bus kostet nämlich leider 15 Rubel. Gezwungenermaßen muss ich also wieder einmal einen Marathon, der unschöneren Art, antreten. Dejavu: Das habe ich doch schon mal machen müssen! Immerhin schaffe ich es so in Rekordverdächtigen 12 Minuten die Strecke zwischen Wohnung und Sovietplatz zu durchmessen. Angekommen stelle ich fest, dass Ira noch gar nicht da ist. Da ich selbst auch ein Freund der “african time” bin, ärgere ich mich nicht, sondern freue mich eher, dass ich nun doch noch frühstücken kann. Zwar nur einen, im Geschmack durchschnittlichen, Jogurt - aber besser als nichts.

Als Ira schließlich auch da ist, verrät sie mir, dass der Professor ohnehin meist eine Viertelstunde zu spät ist. Also begeben wir uns zum Unigebäude und dort in die 2. Etage zum Ort der Vorlesung. Thema: Mechanik. Verwundert stelle ich fest, dass nur knapp 10 Studenten vor der Tür stehen und auf ihren Professor warten. Nach einer kurzen Vorstellung teilen mir die Erstsemester auf meine Nachfrage mit, dass tatsächlich nicht noch mehr kommen werden. Leider muss ich auch hier wieder die Erfahrung machen, dass eine erhebliche Sprachbarriere besteht. Entweder die Studenten sprechen nur sehr schlecht Englisch oder sie sind zu eingeschüchtert Englisch zu sprechen. So muss Ira ein wenig übersetzen. Tatsächlich kommt nach 10 Minuten der Physikprofessor. Er ist ein Mann gehobenen Alters. Sein Gesicht ist von Falten gezeichnet und er trägt einen Pullover und eine ein bisschen zu weit geschnittene Anzughose. Der Raum, in dem die Vorlesung gehalten wird, gleicht eher einem Klassenzimmer. Es gibt Tische mit jeweils zwei Stühlen und eine Tafel an der vorderen Raumseite. Zudem fällt auf, dass der Raum nicht beheizt ist und, dass die Leuchtstoffröhrenlampen an der Decke zu einem hohen Prozentsatz kaputt sind. Als der Professor den Raum betritt stehen alle Studenten zur Begrüßung auf. Ich verstehe nicht, was der Professor sagt, aber von den Formeln, die er an die Tafel schreibt, kann ich ablesen, dass das Thema der Vorlesung kreisförmige Bewegungen sind. Ab und zu schnappe ich einzelne Wörter auf, wie Vektor oder die universalen Größenbezeichnungen. Abgesehen davon fällt auf, dass der Professor wohl gerne einmal abschweift. So höre ich etwa einmal die Wörter “Michael Jackson” heraus und  entnehme Iras Lachen, dass es sich hierbei wohl nicht um physikbezogene Inhalte handelt.

Später erzählt sie mir, dass sie früher auch ein Physikstudium angefangen hat und auch bei diesem Professor Unterricht hatte. Der Professor schweift gerne einmal ab, wie Ira bestätigt. Gerne würde er “fun facts” aus den Werken Freuds in den Unterrichtsverlauf einstreuen. Nach dieser Vorlesung, bietet Ira an, noch eine “Lektsia”  zu “mathematical analysis” zu besuchen, was ich dankend ablehne. Stattdessen gehen wir in die Unimensa essen. Vorher hebe ich noch Geld ab: 2000 Rubel; was mir eine Abbuchung von 46€ auf meinem Konto beschert, wie ich später sehe. Nach dem Essen zeigt Ira mir noch die Unibibliothek. Es gibt zwar auch Computerverzeichnisse des Sortiments, jedoch gibt es auch riesige Schränke mit Schubladen, welche Karteikarten enthalten, auf denen - teilweise handschriftlich - vermerkt ist, welches Buch wo zu finden ist. Um 11:20 muss Ira schließlich zu ihrer Biologievorlesung und ich bin auf mich selbst gestellt. Ich frage Oyuna und Anaida, ob sie an der Uni sind, doch beide sind es nicht. So begebe ich mich in die Unibibliothek um mich ein wenig im Uniwifi an der Internetverbindung zu laben. Doch mein iPad möchte sich partout nicht mit dem Wifinetzwerk verbinden. Also gehe ich nach einer Weile zurück zur Wohnung. Dort schreibe ich noch einen weiteren CS-Host an, ob er mich Mittwoch und Donnerstag beherbergen könnte. Igor bejaht, schreibt mir jedoch am Dienstag, dass es am Mittwoch doch nicht geht.