NSA Untersuchungsausschuss
Für jeden, der netzpolitische Entwicklungen mit Interesse verfolgt und in Berlin lebt, ist es eigentlich ein Schande, noch nicht ein einziges mal im NSA-Untersuchungsausschuss zu Gast gewesen zu sein. Dabei genügt eine einfache Anmeldung per E-Mail. Daher habe ich selbiges getan und habe dort eine verlängerte Mittagspause geopfert.
Kurz gefasst wurde der Ausschuss im März 2014 (Post-Snowden-Zeit) eingesetzt, um aufzuklären inwieweit Deutscher Datenverkehr von den “Five Eye Staaten” (USA, Großbritannien, Kanada, Australies und Neuseeland) überwacht und gespeichert wurde und ob deutsche Bundesbehörden dabei Amtshilfe leisteten oder Kenntnis davon hatten. Weiter sind die Fragen, ob es rechtswidrige Vorgänge gab bzw. gibt und wie man sich effektiv gegen Abhörmaßnahmen schützen kann, teil des Untersuchungsauftrags.
Einmal angekommen, stellt man fest, dass der Ausschuss recht gut besucht ist. Es sind viele junge Menschen dabei. Schnell fällt einem auch Andre Meister auf, welcher die Sitzungen für Netzpolitik.org live verbloggt. Denn die Sitzungen sind zwar öffentlich, dennoch gibt es kein öffentlich zugängliches Protokoll (erst mit Veröffentlichung des Abschlussberichts) oder gar eine Videoaufzeichnung. Heute stand auf der Tagesordung die Zeugenvernehmung von E.B. (Leiter Erfassungsstelle Schöningen, ehemals auch bekannt unter der ofiziellen Bezeichnung Ionosphäreninstitut. Dort hört man Satellitentelefonie(z.B. Thuraya)/GSM ab) und R.S. (er hat auf technischer Ebene für den BND gearbeitet). Wenn ich es richtig verstanden habe, sind sogar die Initialen nur die der Decknamen.
Los geht es also mit E.B., der im Eingangsstatement so mechanisch spricht, dass man förmlich spüren kann, wie er innerlich einen vorbereiteten Sprechzettel abliest. Bei der Befragung ist dies anders, dort antwortet der Zeuge mal wortkarg mal ausführlicher. Am häufigsten lautet die Antwort lakonisch “Nicht öffentlich”. Besonders hervorzuheben ist die Antwort auf die Frage, ob es eine Datenweitergabe an ausländische Geheimdienste gab, da sagt nämlich E.B. mit voller Inbrunst “Zu keinem Zeitpunkt gingen irgendwelche Daten an einen Five Eyes Staat, nie.”. Diese Aussage wirkt fast sophistisch, muss der Zeuge doch später selbst einräumen, dass es eine Weitergabe von der Zentrale sehr wohl gegeben haben könnte, nur von eben seiner Dienststelle nicht. Auch interessant ist, dass die Bundesregierung einen Beamten aus dem Kanzleramt als Wachhund bereitstellt. Dieser macht sich durch Beanstandungen wie “Das ist nicht Untersuchungsgegenstand” oder “Das liegt nicht im Untersuchungszeitraum” bemerkbar, auch sonst merkt man schnell, dass es dem Ausschuss nicht leicht gemacht wird. Die Regierung wirft hier den Abgeordneten eher Knüppel zwischen die Beine. Schön illustriert das der folgende Dialog:
Notz: Sie haben alles vorgelegt?
E. B.: Ja.
Notz: Darf ich Herrn Wolff fragen, ob wir alles bekommen haben? Unser Aktenbestand aus Schöningen ist sehr schmal.
Wolff: Davon gehe ich nicht aus. Schöningen als Dienststelle ist nicht Untersuchungsgegenstand. Vor dem Hintergrund gehe ich nicht davon aus, dass alles, was Schöningen vorgelegt hat, auch in die Akten eingegangen ist. Das entscheidet nicht Schöningen.
Notz: Aber die Akten-Aufforderungen zu unseren Beweisbeschlüssen ging über seinen Schreibtisch. Unsere Aktenlage ist dünn. Wie viele Prozent des Materials von dort haben wir?
Wolff: Kann ich nicht sagen. Ich habe nicht gesehen, was Schöningen geliefert hat. Die Außenstellen haben die Tendenz, sehr breit vorzulegen. Die Entscheidung treffen aber andere.
Notz: Die Bundesregierung legt das anders aus. Uns haben nur vier Seiten erreicht.
Wolff: Inhalte, die nicht den Untersuchungsgegenstand betreffen, geben wir ihnen nicht.
Sensburg: Ist Gegenstand einer Beratungssitzung.
Notz: Ist nicht der langweiligste Tag mit Herrn E. B. Eine Milliarde Daten pro Jahr alleine in Schöningen.
Wolff: Nicht an Five Eyes Staaten, nicht Untersuchungsgegenstand.
Notz: Bei uns kamen vier dünne Seitchen an. Der Zeuge weiß genau, worum es im Ausschuss geht und antwortet auch so. Wie viele Seiten haben sie geschickt?
Eisenberg: Ist geheim. Der Zeuge darf keine geheimen Akten vorlegen, also darf er auch nicht darüber berichten.
[Gelächter bei der Opposition.]
E. B.: Ein dick gefüllter Ordner.
Notz: So 300 Seiten?
E. B.: Ja. War alles, quasi wahlfrei genommen, was sein könnte. Wir hatten keinen juristischen Beistand, zu entscheiden, ob das dazu gehört.
Notz: Bei uns kam ein Prozent an. Schließen sie aus, dass Daten, die sie an die Bundeswehr leiten, auch in Force Protection Pools landen?
E. B.: Kann ich nicht ausschließen. Aber Bundeswehr geht sehr sorgfältig damit um.
- Notz: Konstantin von Notz, MdB, Bündnis 90 die Grünen; Sensburg: Patrick Sensburg, MdB, Ausschussvorsitzender, CDU; Wolff: Phillip Wolff, Bundeskanzleramt
Der gute Herr Wolff dürfte so einigen Vorsprung vor den Abgeordneten haben, was das Wissen um die Antworten auf den Untersuchungsauftrag betrifft. Die Abgeordneten erhalten vom BND nur soviel wie gerade nötig und hangeln sich anhand von Presseberichten und geleakten Dokumenten am Thema entlang, ihnen wird nur ein relativ kleiner, enger Ausschnitt präsentiert. Man merkt den Fragen an, dass nach Monaten von Ausschussarbeit, die Abgeordneten von BND-Beamten keine volle Kooperation erwarten. Es gleicht dem Versuch einen Pudding an die Wand zu nageln. Ob die Antwort nun eingestuft sei, eine andere Abteilung dafür zuständig sei oder auch man einfach nie von etwas gewusst habe, es ist eine Lektion in 1001 Ausflüchten. Und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits einer Klage gegen, durch die Regierung erstellte, sehr restriktive Aussagegenehmigungen für die Zeugen stattgab.
Fazit: Der Besuch des Ausschusses lohnt trotz allem, da es leider keine andere Möglichkeit gibt die Zwischentöne und Schattierungen so deutlich mitzubekommen. Man erfährt eine Menge über die Funktions- und Denkweise der Geheimdienste, die ihren Tätigkeiten ja sonst nur in punkto Öffentlichkeit schattigen Ecken nachgehen. Es gibt ja auch böse Zungen, die behaupten jede Demokratie habe einen weißen Fleck: Den Geheimdienst. Die langen Pausen bei kritischen Fragen, die dem Maulkorb für die BND-Beamten geschuldet sind, lassen auch bei klug gestellten Fragen Schlüsse zu, die spätere Antworten im nicht-öffentlichen Teil vorwegnehmen. Hier darf man besonders Grünen und Linken dankbar sein, die auch im öffentlichen Teil reichlich Fragen Stellen, während CDU/CSU und SPD sich mit dem Fragenstellen eher auf den nicht-öffentlichen Teil zu konzentrieren scheinen.