Der Nahostkonflikt - Gespräch mit Rolf Mützenich
Rolf Mützenich war lange Zeit aussenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Inzwischen ist er zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt worden. Er macht einen soliden, gefestigten Eindruck. Er redet ruhig und klar und weiß die Aufmerksamkeit des Zuhörers aufrechtzuerhalten. Bemerkenswert ist seine Uneitelkeit und sein anscheinend nicht vorhandenes Ego. So fragt er in der Diskussion in seinen Antworten auch mal nach: “Weißt du dazu vielleicht mehr?”. Und diese Frage meint er unzweifelhaft ganz ernst. Er schafft es die Sachverhalte in einem ruhigen Tonfall mit einer klaren Sprache zu vermitteln.
Es wurde laut Mützenich 2001/2002 eine große Chance vertan, als die Arabische Liga die von Israel vorgeschlagene Zwei-Staaten-Lösung ausschlug. So wurden die zwei Staaten in den Grenzen von 1967 nicht realisiert. Seitdem hat sich die Lage weiter zugespitzt. Interessanterweise ist China bereit die USA bei ihren Bemühungen um die Herbeiführung einer Lösung des Konfliktes herbeizuführen. Nach Mützenichs Eindruck ist die “Volksrepublik China” bereit sich in dieser Frage zu positionieren. Ihn persönlich erinnert eine Option, wie die Kennzeichnungspflicht von israelischen Siedlungsgebieteprodukten, vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte all zu sehr an den Holocaust. Zudem ist Mützenich entsetzt, wie wenig beide Seiten des Konflikts doch von einander wissen. Die immer weiter vorangetriebene Abschottung der Westbank von Israel hat dazu geführt, dass viele Israelis und Palästinenser nicht mehr wissen, wie der jeweilig andere lebt, wie dessen Lebensrealität eigentlich aussieht.
Die Uneindeutigkeit des Konflikts und die Schwierigkeit Mützenichs in einer Schwarz-Weiß-Logik zu verfallen wird deutlich, wenn er sagt: “Wenn ich mit den Palästinensern rede, denke ich : Die haben recht! Sie haben ein Gebiet, welches immer stärker von Siedlungen durchsetzt wird, das muss aufhören. Wenn ich mit den Israelis rede, denke ich: Meine Güte! Die haben recht! Israel ist ein kleiner Staat und hat aufgrund seiner Lage und Geschichte spezielle Sicherheitsbedürfnissse.” Weiter erwartet Mützenich eine heftige innenpolitische Debatte, falls es zu einer Lösung mit einer entmilitarisierten Zone, die von der UN gesichert wird. Deutschland wurde von Israel ja schon einmal gebeten bei der Sicherung von entmilitarisierten Zonen mitzuwirken. Bei Scheitern der Verhandlungen ist laut Mützenich mit einer Zeit des Stillstands, gar des Rückschritts mit Anschlägen zu rechnen.
Auf die Frage, ob China in 10 Jahren die Rolle der USA einnehmen könnte, da China nicht nur aufstrebende Macht, sondern auch mehr Glaubwürdigkeit besitzt, antwortet Mützenich, dass er dies nicht wisse. So nimmt China heute schon eine wichtige Rolle bei dem Konflikt zwischen Nord- und Südsudan ein. Konkret verhindert China dort, dass beide Parteien übereinander herfallen. Allerdings ist die Glaubwürdigkeit Chinas auch skeptisch zu sehen, da es selbst etwa Tibet besetzt und selbst auch keine Vorzeigedemokratie ist. Weiter erklärt Mützenich, dass der soziale Frieden bei einem verhandelten Frieden sich nur bei massiver internationaler Unterstützung stabilisieren lässt.
Eine weiterer interessantes Faktum ist die Tatsache, dass Rolf Mützenich Kontakt zu Gruppierungen, wie der Hamas, pflegt. Die Hamas will den Kontakt zur deutschen Regierung, diese kann jedoch keinen Kontakt herstellen, weil diese offiziell nicht mit der Hamas spricht, da diese als terroristische Vereinigung geächtet wird. Der “workaround” an dieser Stelle ist, dass man sich als Parlamentarier mit der Hamas trifft. Als solcher übt man das freie Mandat aus und kann reisen und sprechen mit wem man will. “Wenn die Regierung nicht mit ihnen verhandelt, dann machen wir’s”. So fährt Mützenich zu Gesprächen mit der Hamas, Gruppierungen in Iran und berichtet anschließend Frank-Walter Steinmeier. Interessant ist auch die Erzählung von einem Vorfall, bei dem ein Deutscher aus Rheinland-Pfalz sich mit einem Motorboot verfahren hatte und in iranischen Gewässern landete. Dort wurde er von iranischen Sicherheitskräften aufgegriffen und im Anschluss der Spionage angeklagt. Nachdem er tatsächlich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, versuchte die Regierung den Mann wieder auf freien Fuß zu bekommen. Mützenich reiste in den Iran und besuchte den Rheinland-Pfälzer im Gefängnis und verhandelte mit den lokalen Regierungs- und Behördenvertretern. Das Gefängnis habe einen furchtbaren Eindruck gemacht und nebenan wurden auch politische Häftlinge gehalten, die wohl auch gefoltert wurden. Zuerst wollten die Iraner, dass man im Gegenzug zur Freilassung einen in Deutschland gefangenen Iraner freilassen sollte. Doch dieser war nicht nur wegen eines Anschlags auf ein Berliner Restaurant verurteilt sondern auch auf Grund von Rechtsstaatlichkeitsprinzipien war die Freilassung des Iraners keine Option. Nachher fand man einen gangbaren Weg, der zur Freilassung führte. Ob die Freilassung des iranischen Attentäters doch womöglich Teil der Verhandlung war ist mir persönlich unklar. Die ganze Story gibt’s auch hier.
Mützenich ist keineswegs der aalglatte Politiker ohne kontroverse Meinungen, so gehörte er einer Minderheit in der SPD an, die die Lieferung der U-Boote an Israel kritisch sahen, insbesondere, da sie atomar bestückt werden können. Auch sonst hält Mützenich atomare Abschreckung als Waffensystem für “Blödsinn”. Und dennoch wurde er zum aussenpolitischen Sprecher und nun zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt.