Nun, erst einmal, so möchte man meinen, gibt es doch nichts berichtenswertes darüber, dass der ehemalige Entwicklungsminister, der sein eigenes Ministerium abschaffen wollte - wir erinnern uns - nach seinem Ausscheiden aus dem Amt eine Anschlussverwendung gefunden hat. Dass Niebel jetzt als Lobbyist für einen Industriekonzern arbeitet ist auch nichts überraschendes. Wenngleich ein Wechsel von der Politik in die Wirtschaft kritisch zu betrachten ist, wie beim Fall Pofalla etwa. Der Verdacht der Verwischung von privaten Interessen mit den öffentlichen während der Amtszeit und die hernach folgende Belohnung durch den begünstigten Industriebetrieb oder -zweig steht stets im Raum. Allein die Tatsache, dass ein solcher Verdacht erweckt werden könnte, sollte Anlass genug sein, von solchen Praktiken Abstand zu nehmen. Leider haben zu wenig Ex-Berufspolitiker den Anstand und die Geradlinigkeit, um den Versuchungen zu widerstehen. Zumindest nicht gleich ein halbes Jahr später in genau dem Bereich anzufangen, den man vorher noch reguliert hat oder den man zu regulieren vorgab, sollte man doch schaffen können.

Aber was dem Fass den Boden ausschlägt, ist der Umstand, dass Dirk Niebel nun de facto Cheflobbyist für den Rüstungskonzern Rheinmetall wird. Meines Erachtens nach, ist es eine Ungeheuerlichkeit und es mutet bizarr an, dass der Ex-Entwicklungsminister sich nun offensichtlich als Vehikel nutzen lässt, um den Funktionären, denen er früher deutsche Entwicklungsprogramme schmackhaft machte, als Nachgang nur zur Sicherheit und Freude Rheinmetalls gleich ein Panzerbataillon feilzubieten. Auch wenn Niebel auf mich schon immer einen wenig guten Eindruck gemacht hat, so hat er sich mit der Annahme dieses Jobs in meinen Augen Farbe bekannt; und zwar als ein Opportunist, der im Zweifelsfall dem großen Geld folgt, statt einem inneren moralischen Kompass. Ich mache Politik, um etwas zu Gestalten. Ich mache Politik, um etwas zu verändern. Ich mache Politik für die Menschen in diesem Land. Niebels Handeln lässt diese ohnehin tendenziell abgeschmackten Phrasen wie Hohn und Spott erscheinen. Er möchte etwas verändern? Er möchte einem Waffenproduzenten beim Vertrieb seiner Tötungsmaschinen helfen? Das einzige was sich dadurch signifikant positiv verändert, ist sein eigener Kontostand, aber auch nicht viel mehr. Die Botschaft aber ist eine verheerende: Politiker sind sich am Ende des Tages doch selbst am nächsten, sogar für das moralisch höchst zweifelhafte Stellenangebot einer Waffenschmiede ist Niebel, immerhin ein ehemaliger Bundesminister, sich nicht zu Schade. Es ist beim besten Willen nicht vorstellbar, wie man diesem Sachverhalt etwas positives abgewinnen kann. “Papa hilft jetzt Rheinmetall mehr Panzer zu verkaufen, damit die Welt sicherer wird und mehr Arbeitsplätze entstehen!” Wie auch immer sich Niebel seine Rechtfertigung zurechtgebastelt hat, so dürfte sie die Rechtfertigung eines Zynikers sein, der sich der Versuchung des Geldes nicht länger hat entziehen wollen. Öffentlich äußert er sich dazu nicht, was Bände spricht.

Dieser Fall im doppelten Wortsinne zeigt nicht etwa alleinig, dass Dirk Niebel über die beachtliche Fähigkeit verfügt, das Rückgrat einer Salatschnecke eindrucksvoll erscheinen lassen, sondern vielmehr, dass es eben kein Zufall ist, dass Deutschland dritt-größter Waffenexporteur auf diesem Planeten ist. Wenn Waffenproduzenten die Chuzpe haben, sich ehemalige Kabinettsmitglieder einzukaufen und damit davonkommen, so entsteht der Eindruck, beim Kabinettstisch handele es sich um ein Supermarktregal, in dem sich die Großindustrie frohen Mutes bedient. Es ist wahrlich eine verquere Angelegenheit im Amt Frieden und Abrüstung zu predigen und nachher bei einem der größten Waffenproduzenten anzuheuern und seine Kontakte und sein Insider-Wissen willfährig anzubieten. Warum lässt sich Dirk Niebel nicht einfach als politischer Berater bei einem x-beliebigen, anderen Konzern anstellen? Warum sucht er sich nicht einfach ein neues politisches Betätigungsfeld, wie sein Parteifreund Westerwelle mit seiner Stiftung? Die Antwort ist offensichtlich und sie ist keine schöne: Weil man nirgendwo sonst so viel Geld verdienen kann. Dirk Niebel hat sich versteigern lassen und der höchstbietende Auktionär war halt ein Waffenkonzern, der muss nun mal auch etwas mehr bieten, um die moralisch anrüchige Aura zu kompensieren. Ich empfinde fast ein gewisses Mitleid mit Niebel, den sein Drang zum Geld verdienen trotz auskömmlicher Ruhebezüge zu so fragwürdigen Entscheidungen zwingt. Auch FDP-Urgestein Gerhard Baum kritisiert Niebel scharf: Etwa hier nachzulesen. Der FDP hilft Niebels Handeln auch eher nicht, doch das schert Niebel anscheinend so wenig, wie sein Handeln der FDP hilft.