Der Butler: jetzt auch für die obere Mittelklasse. Das Internet macht es möglich
Heute bin ich durch Zufall (eigentlich habe ich nach Dokumentationen zu Responsive Webdesign gesucht) auf ein, nun ja, ein wenig dekadent anmutendes Geschäftsmodell gestoßen: Zirtual. Dieses zugegeben innovative Konzept ist zwar nicht vollkommen neu, aber doch in seiner dem 21. Jahrhundert angepassten Form etwas so sicher zuvor nicht existentes Produkt. Die Zielgruppe ist auch außergewöhnlich. Das Produkt bzw. die Dienstleistung richtet sich an erfolgreiche Entrepreneure oder Angestellte von erfolgreichen Unternehmen in gehobenen Positionen. Eine kleine Zielgruppe möchte man meinen, doch nicht im Silicon Valley, wie die Testimonials der Website suggerieren. Dort sind so viele erfolgreiche Menschen, deren Work-Life-Balance von der vielen Arbeit ungleichgewichtig zu werden droht, dass sie sich einen “zirtual assistant” leisten wollen und das auch können.
Nun, worum handelt es sich bei “Zirtual”? Zirtual stellt eine Dienstleistung zur Verfügung, die einfach, wie unschlagbar attraktiv ist: Zeit! Ein Zirtual-Kunde bekommt einen persönlichen Assistenten an seine Seite gestellt, der lästige Aufgaben, wie Powerpoints erstellen, Reservierungen im Restaurant vornehmen oder das lästige Email-Beantworten übernimmt. Das Konzept ist, dass Zirtual seine Assistenten von Zuhause aus arbeiten lässt und diese einem Klienten zuordnen. Das macht das ganze billiger als einen Butler. Ein Assistent betreut mehrere Klienten und diese bezahlen je nach Anforderung unterschiedliche Monatsbeiträge. Los geht es ab 199 Dollar für 8h Assistenz.
Zirtual ist zugespitzt betrachtet der Butler für die Massen. Früher war es lediglich unverschämt reichen Menschen vorbehalten, sich einen persönlichen Assistenten leisten zu können, doch das ändert sich mit dem Internet und mit Zirtual. Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieses Geschäftsmodell nicht auch von schwarzen Schafen so betrieben wird, dass der Assistent am Ende in einem Dritte-Welt-Land sitzt und für einen Hungerlohn der westlichen Mittelklasse assistiert. Zudem zeigt Zirtual auch, dass die Welt in der wir leben, ganz offensichtlich eine hochkomplexe Welt ist. Zu komplex für manche, so komplex, dass man eine Assistenz für seine Alltagsaufgaben benötigt oder doch zum Mindestens haben will.
Die Welt wird, wie gesagt, anscheinend mit ihrer fortschreitenden Entwicklung immer komplexer, es ist zu bezweifeln, dass in der Steinzeit ein Geschäftsmodell wie Zirtual es hat, marktreif (geschweige denn realisierbar) gewesen wäre. Es bleibt abzuwarten, ob die Welt eines Tages so komplex ist, dass sie für den Menschen wieder einfacher wird. Ganz wie bei Computern. Zwischen den rudimentären Terminal-Computern und einem iPad heute, besteht ein himmelweiter Unterschied, was ihre Komplexität betrifft. Aber das Paradox des antiproportionalen Zusammenhangs von Systemkomplexität und Benutzerfreundlichkeit ist in diesem Beispiel eindeutig ersichtlich. Das iPad hat viel komplexere Software und viel komplexere, miniaturisierte Hardware. Aber die Einfachheit der Bedienung ist auch unglaublich gestiegen. Ein iPad kann von einem Analphabeten bedient werden. Ein Terminal-Computer kann hingegen nur von einer eher kleineren Gruppe benutz werden, die sich vorher mit den komplexen Regeln des Systems vertraut macht. Aber ich schweife ab…